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Lese-Rechtschreib-Institut

Diagnose – Beratung – Training

Lese-Rechtschreib-Institut / Diagnose-Beratung-Training
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VKI, 21.12.2023, Gesundheit + Kosmetik Krankheit

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Je früher LRS erkannt und angegangen wird, desto besser die Erfolgsaussichten. LRS lässt sich allerdings nicht von heute auf morgen beheben.| Bild: Arsenii Palivoda / Shutterstock.com

Legasthenie: Lese-Rechtschreib-Schwäche

Menschen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche sind oft dem Gespött ausgeliefert. Die Lernhilfe zielt auf einen sicheren Umgang mit der Schriftsprache ab - und den Aufbau eines gesunden Selbstvertrauens.

Die verflixten Buchstaben

Im Laufe der Jahre hat sich Frau Maier eine Reihe von Tricks angeeignet, die ihr helfen, sich aus der Affäre zu ziehen. Soll sie etwa auf einem Amt ein For­mular ausfüllen, so ist ihr Standardsatz: „Entschuldigung, ich habe meine Lesebrille vergessen.“ So schafft sie es ­häufig, dass sie das Formular mit nach Hause nehmen kann, wo sie alle Zeit hat, es in Ruhe auszufüllen. Zeit, die sie dringend benötigt, denn Frau Maier leidet unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), auch Legasthenie oder Dys­lexie genannt. Ihre Schwäche einzugestehen und um Hilfe zu bitten, kommt für sie nicht infrage. Zu peinlich. Dass man des Lesens und Schreibens nicht kundig ist oder sich damit zumindest verdammt schwertut, denkt Frau Maier, billigt man einem kleinen Kind zu, aber doch nicht einer 50-Jährigen.


10 Prozent der Bevölkerung

Das Schicksal von Frau Maier teilen etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Nicht verwechselt werden darf LRS mit der immer mehr um sich greifenden Un­fähig­keit der Menschen, einen einfachen Satz fehlerfrei zu Papier zu bringen. Hier geht es um eine spezifische Schwierigkeit, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO in ihrem Diagnosekatalog ICD-10 gar als Krankheit angeführt wird.Mediziner:innen sprechen im Zusammenhang mit LRS lieber von „Störung“ als von „Schwäche“, für die sie in erster Linie genetische Faktoren und bestimmte neurophysiologische Ausfälle in der auditiven und visuellen Verarbeitung verantwortlich machen.

Normale Intelligenzleistung

Inwieweit LRS vererbt wird und wie sehr soziale und psychologische Ur­sachen mit hineinspielen, wird in der Forschung heiß diskutiert, insbeson­dere zwischen Medizin und Pädagogik. Für die klinische Diagnose einer LRS ist entscheidend, dass sich bei der Person eine deutliche Diskrepanz zwischen ihren Lese- und Schreibproblemen auf der einen und ihrer normalen Intelligenzleistung auf der anderen Seite zeigt. Ist auch ihre Intelligenzleistung unterdurchschnittlich, so liegt wahrscheinlich ein allgemeiner Entwicklungsrückstand vor und keine Teilleistungsstörung.

Problemerkennung

Das Duden Institut für Lerntherapie in Wien liegt gegenüber der Stadthalle. Wer hierher kommt, sucht Hilfe für seine Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Und diese Hilfe suchen vor allem Kinder im Volksschulalter. Genauer ­gesagt kommen ihre Eltern mit ihnen. Für Institutsleiter Philip Simson ein ­erster wichtiger Schritt: die Problem­erkennung.Dass sich neu eingeschulte Kinder damit schwertun, Buchstaben und deren Laute zu erlernen, ist völlig normal. Leicht verwechseln sie „l“ mit „i“, die beiden Zeichen sind einander ja auch sehr ähnlich. Und oft klappt es mit der Lautverschmelzung nicht auf Anhieb.

Teilleistungsstörung

Wollen sich bei ihrem Kind aber überhaupt keine Fortschritte einstellen, so glauben viele Eltern zu wissen, woran das liegt: Es lernt zu wenig, muss sich mehr anstrengen! Wenn es trotzdem weiterhin Buchstaben vertauscht, Laute nicht ordentlich zusammenzieht und beim Lesen zwischen den Zeilen springt, mag den Eltern dämmern, dass ein grundlegendes Problem vorliegt.

Man liest und hört ja auch immer wieder von LRS oder Legasthenie. Vielleicht nicht so oft wie von ADHS – eine Zeit lang war davon in den Medien ständig die Rede, sodass man meinen konnte, diese Art der Konzentrationsstörung sei das Grundübel der heutigen Schülergeneration. Aber immerhin wurde LRS bereits Ende des 19. Jahrhunderts als Teilleistungsstörung erkannt, seinerzeit noch unter dem Begriff „Wortblindheit“.

Förderung statt Sonderschule

Bis in die 1970er-Jahre war es üblich, Schüler:innen mit LRS in die Sonderschule zu schicken. Heute weiß man, dass LRS nichts mit Minderbegabung zu tun hat, und die Betroffenen erhalten schon in der Volksschule Förde­r­unterricht – wenn sie Glück haben. Das heißt, sofern es an ihrer Schule entsprechend engagierte Lehrer:innen gibt. Ein (einklagbares) Recht darauf haben sie nicht.Wer nicht auf diese Unterstützung bauen kann, ist auf außerschulische Hilfe angewiesen. Womit wir zurück wären beim Duden Institut für Lerntherapie. Bei einem Neuzugang wird als Erstes eine Förderdiagnose gestellt, um zu sehen, wo die spezifischen Probleme liegen. Denn LRS ist nicht gleich LRS. Sie kann stark oder schwach ausgebildet sein, mitunter präsentiert sie sich auch als isoliertes Phänomen. Die eine Schülerin kann flüssig lesen, aber nicht schreiben. Und beim nächsten Schüler kann es genau umgekehrt sein. Auf Grundlage der Diagnose wird ein individueller Trainingsplan erstellt, der Maßnahmen aus unterschiedlichen ­Bereichen wie Fachdidaktik und Ergotherapie miteinschließt.

Peinliche Situationen

Je früher LRS erkannt und angegangen wird, desto besser die Erfolgsaussichten. Dabei geht es nicht nur darum, dass ­Betroffene Sicherheit im Fach Deutsch erlangen; auch fast alle anderen Fächer fußen auf der Schriftsprache. Und mehr noch. Versetzen wir uns kurz in die Situation eines Schülers: Vor der Klasse soll er laut einen Text vorlesen. Nur ­stockend gelingt ihm das. Die ersten Mitschüler:innen fangen an zu lachen, noch verhalten, schließlich prusten alle los. Unser Schüler möchte vor Scham im Erdboden verschwinden. Kein Wunder, dass LRS oft mit psychosomatischen Beschwerden einhergeht, mit Ver­sagens­angst und Schulvermeidung.

Wir fragen bei Reinhard Kargl nach, der seit mehr als 20 Jahren das Lese-Rechtschreib-Institut mit Hauptsitz in Graz leitet: Wie lassen sich peinliche Situationen vermeiden? Wie sollen Lehrpersonen mit den ein, zwei unter LRS leidenden Schüler:innen umgehen, die es gewöhnlich in einer Klasse gibt? Der Experte rät davon ab, ihnen eine Sonderrolle zukommen zu lassen. Das würde sie nur noch mehr isolieren. Stattdessen sollten sie in alle Übungen eingebunden werden. Auch beim Vorlesen. Empfehlenswert wäre es in ­diesem Fall allerdings, ihnen den Text vorab auszuhändigen, damit sie sich vorbereiten können.

Auch bei Arbeitsaufträgen in der Klasse plädiert der Experte für gleiche Auf­gaben für alle, nur sollte Schüler:innen mit LRS mehr Zeit eingeräumt werden. Manchmal wären auch schon kleine Änderungen große Hilfen, beispielsweise wenn Texte in einer größeren Schrift ausgedruckt würden.

Interesse wecken

Reinhard Kargl hat Germanistik und Psychologie studiert. Zwei Disziplinen, die ihm in seiner täglichen Arbeit zugutekommen. Mit feinem Gespür versucht er bei seinen Klient:innen Interesse für das zu wecken, was ihnen bisher eher ein Gräuel war: die deutsche Sprache.Viele Wörter im Deutschen sind Zusammenfügungen, wahre Buchstaben­kolonnen wie beispielsweise „Fußballländerspiel“. Diese lassen sich in klei­nere Einheiten zerlegen, in Silben. All das gilt es den Betroffenen zu vermitteln, auf möglichst spielerische Weise. Das Lernen soll schließlich Spaß machen.

Bekannte Beispiele

Eine LRS lässt sich nicht von heute auf morgen beheben. Im Schnitt dauert das Training eineinhalb Jahre, abhängig davon, welches Ziel man sich setzt. Legasthenie hindert einen nicht daran, als Schriftsteller:in Erfolge zu feiern. John Irving ist dafür ein Beispiel, oder auch John Ford, der anlässlich des Erscheinens seines Romans „Valentinstag“ im Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung sagte: „Für mich bedeutet die Leseschwäche auch einen Vorteil. Wenn man langsam liest, wird man sich der Qualitäten der Sprache bewusst, wird sensibel für Qualitäten, die nicht nur informationstragend sind, hört, wie die Wörter klingen, wie sie aussehen, wie viele Silben sie haben, wie die Rhythmen, die Buchstaben klingen.“Auf LRS spezialisierte Institute gibt es in Österreich nur wenige, dafür umso mehr selbstständige Trainer:innen. Bezah­len muss man sie aus eigener Tasche. Üblich ist eine einstündige Einheit pro Woche. Die monatlichen Kosten variieren nach unseren Erhebungen stark – von 50 bis 250 Euro.Was Hänschen nicht gelernt hat, kann Hans durchaus noch lernen. Frau Maier hat genug vom Versteckspiel. Sie hat sich für einen Kurs gegen ihre Lese-Rechtschreib-Schwäche angemeldet.




Kurier.at/ 06.09.2016, Ute Brühl

Wenn das Lesenlernen schwer fällt

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Foto: babimu - Fotolia/Fotolia/Babimu... Buchstaben - für manche Kinder einfach nur ein riesengroßes Mysterium

Legasthenie – mit dieser Diagnose sind Eltern und Lehrer oft schnell bei der Hand, wenn ein Kind Probleme beim Lesen und Schreiben hat. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht, wie Reinhard Kargl vom Lese-Rechtschreib-Institut Graz weiß: "Eine Lese-Rechtschreib-Störung kann nur durch eine professionelle Diagnostik bei einem klinischen Psychologen festgestellt werden."


Tut sich ein Kind dauerhaft schwer, sollten Eltern jedenfalls wachsam sein. Wenn es sich z. B. besonders abmüht, Buchstaben zu lernen, flüssig zu lesen oder wenn es viele Rechtschreibfehler macht, wird es Zeit, einen Experten aufzusuchen. "Spätestens dann, wenn ein Schüler trotz vielen Übens kaum Fortschritte macht," sagt Kargl. Mythen, woran man Legasthenie erkennt, gibt es viele. Ein Mythos ist zum Beispiel, dass Verwechslungen von "d" und "b" ein eindeutiger Hinweis sind. "Neueste Forschungen zeigen, dass Legastheniker die gleichen Fehler machen wie andere Kinder auch. Sie machen aber viel mehr Fehler als ihre Mitschüler."


Dass ein Kind einmal eine Lese-Rechtschreib-Störung entwickelt, zeichnet sich oft schon früh ab: "Hat ein Zweijähriger noch keinen Wortschatz von 50 Wörtern, so ist das ein Risikofaktor. Auch wenn er im Kindergarten Probleme hat, Reime zu erkennen, Silben zu klatschen, Wörter zu gliedern oder Laute zu hören, sollte man sich das bei einem Screening genauer anschauen", sagt Kargl. Eine gute Prävention ist es, vorzulesen, gemeinsam zu singen und Gedichte aufzusagen – wie das schon die Großmutter gemacht hat.


Üben und reimen

Je früher man die Schwäche entdeckt, desto besser. Am einfachsten und effizientesten ist es, wenn der Legastheniker von einem ausgewiesenen Experten therapiert wird. Doch die sind meist teuer – vor allem, weil es langfristig angelegt sein muss. Vor Therapien, die eine schnelle Abhilfe versprechen, warnt Kargl: "Eine gutes Legasthenietraining erkennen Sie daran, dass es massiv das Lesen und Schreiben übt. Alle anderen Maßnahmen wie etwa Ernährungsumstellung oder Entspannungsübungen können konzentrationsfördernd sein. Mehr nicht."


Eltern können in jedem Fall auch zu Hause viel tun: "Wichtig ist, dass man sich mit dem Thema beschäftigt und analysiert, wo genau ein Kind Probleme hat. Bei manchen ist es eher das Lesen, bei anderen eher das Schreiben. Zielgerichtetes Lernen ist gerade bei Legasthenie sehr wichtig, sonst ist der Lernaufwand hoch, doch der Erfolg gering. Einfach nur Diktate zu üben, bringt also nichts. Die bessere und einfachste Form zu üben, ist eine Lernwortkarte, in der die Wörter eingetragen werden, die z. B. im Unterricht falsch geschrieben wurden. Erst wenn die sitzen, sind Diktate sinnvoll." In jedem Fall ist es sinnvoll, ein Gespräch mit der Lehrerin zu führen, wenn das Kind eine Lese-Rechtschreib-Störung hat. "Pädagogen können das Kind unterstützen, indem sie ihm z. B. mehr Zeit für bestimmte Aufgaben geben. Das in der Klasse übliche Tempo überfordert die Legastheniker nämlich. Das ist nicht ungerecht, sondern entlastet alle – auch die anderen , die schneller sind", meint Kargl.


Jedes Bundesland hat übrigens einen eigenen Legasthenieerlass. Häufig gilt er nur bis zur Ende der Pflichtschule – obwohl sich die Legasthenie nach der Pubertät nicht auswächst, wie selbst manche Pädagogen noch meinen. Sie fällt eben in der Schule besonders auf, weil da die Rechtschreibung einen hohen Stellenwert hat.

(kurier) Erstellt am 06.09.2016, 06:00




steiermark.orf.at/news/ 22.9.2014

Legasthenieförderung schon im Kindergarten

Statistisch gesehen sind in jeder Schulklasse ein bis zwei Schüler mit Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie). Steirische Experten schlagen nun eine gezielte Förderung schon im Kindergarten nach deutschem Vorbild vor.

Die Diagnose Legasthenie lässt sich erst stellen, wenn ein Kind lesen und schreiben lernt; meist wird die Lese- Rechtschreibschwäche erst erkannt, wenn das Kind bereits in der dritten oder vierten Schulstufe ist und schulische Misserfolge hinter sich hat.

Test kann Risikofaktoren erfassen

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APA/dpa/Oliver Berg

Doch schon im Kindergarten kann das Risiko einer späteren Legasthenie erkannt werden, erklärt Reinhard Kargl, Leiter des Lese-Rechtschreib-Institutes in Graz Andritz: „Es wird erfasst, ob Kinder Reime bilden können, ob sie die Wörter in Silben gliedern können, und wenn sie dann einen bestimmten Risikofaktor haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sie eine Legasthenie oder Lese-Rechtschreibschwäche entwickeln.“

In der Steiermark leiden rund 7.500 Kinder an Legasthenie

Spielerische Übungen

In Österreich sei es nicht üblich, Kinder schon im Vorschulalter zu testen, so Kargl weiter, Erfahrungen aus Deutschland würden aber zeigen, dass eine frühe, gezielte Förderung das Risiko, im Schulalter unter einer Lese-Rechtschreibschwäche zu leiden, signifikant senken würde: „Es gibt bereits etablierte Trainingsverfahren in diesem Bereich, die diese Lautschulung trainieren. Das sind ganz spielerische, für die Kinder meistens lustige Übungen. Es wäre natürlich gerade in Hinblick auf die schlechten PISA-Ergebnisse wünschenswert, dass Probleme, die dann mitgeschleppt werden, die im Anfangsunterricht auftauchen, schon vorher gelöst werden“, so Kargl.

Test soll gezieltere Förderung erleichtern

Rund 7.500 Kinder in der Steiermark leiden an Legasthenie, die aber oft nicht erkannt wird. Am Lese-Rechtschreib-Institut in Graz wird derzeit ein Test entwickelt, der die Probleme der Schulkinder konkreter zeigen soll, um eine gezieltere Förderung zu ermöglichen. Das Ziel müsse laut dem Institutsleiter sein, in Zukunft ganze Schulklassen standardisiert auf mögliche Lese-Rechtschreibschwächen zu testen.


Der Standard 18. 4. 2012

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foto: apa

RICHTIGES TRAINING

Computerspiele für Rechtschreibmuffel

DORIS GRIESSER, 17. April 2012, 17:36

Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche weisen eine schlechtere Vernetzung in der rechten Hirnhälfte auf.

Grazer Forscher haben nachgewiesen, dass richtiges Training bei Lese-Rechtschreib-Schwäche nicht nur die Rechtschreibung, sondern auch Gehirnfunktionen verbessern kann

Der Bedarf an Hilfe für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche ist groß: Bis zu 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden daran. Damit verbunden sind ein erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Probleme. Rund um diese Problematik ist ein eigener florierender Wirtschaftszweig entstanden. Eine unüberschaubare Zahl an "Lese-Rechtschreib-Trainern" oft zweifelhafter Qualifikation und eine Vielfalt an Methoden versprechen Besserung - und bewirken außer beträchtlichen Kosten meist keine nachhaltigen Erfolge

Positive Veränderungen

Eine von Psychologen der Grazer Karl-Franzens-Universität gemeinsam mit Neurologen der Medizinischen Universität Graz durchgeführte Studie unter der Leitung von Andreas Fink liefert nun erste Hinweise, dass richtiges Training nicht nur die Rechtschreibfähigkeit und das Leseverständnis verbessert, sondern auch zu positiven Veränderungen im Gehirn führt: Die Ursachen ei- ner Lese-Rechtschreib-Schwäche werden in der Struktur und Funktionsweise sprachrelevanter Regionen im Gehirn vermutet.

Im Rahmen des Kooperationsprojekts wurden die Auswirkungen des am Grazer Lese-Rechtschreib-Instituts entwickelten Trainingsprogramms "Morpheus" auf die Gehirnaktivität und -struktur rechtschreibschwacher Kinder untersucht. Die Rechtschreibung wird dabei mithilfe eines " morphematischen" Grundwortschatzübungsprogramms trainiert: Ein Morphem ist die kleinste Bedeutung tragende Einheit einer Sprache, und mit diesem Training wird das Wortbildungsmaterial - also Vorsilbe, Stamm und Nachsilbe - systematisch erarbeitet. Die Kinder erlernen nach einem festgelegten Stufenplan einzelne Wortstämme, von denen dann die Einzelwörter abgeleitet werden.

"Auf diese Weise können auch schwache Rechtschreiber rasch eine große Menge an Wörtern richtig schreiben", erläutert Reinhard Kargl vom Grazer Lese-Rechtschreib-Institut, der mit seinem Kollegen Christian Purgstaller das Training entwickelt hat. So kommt etwa der Wortstamm " fahr" in über 700 Wörtern der deutschen Sprache vor.

Überraschender Befund

Kann man den Stamm richtig schreiben, erschließt sich also die Rechtschreibung sehr vieler Wörter, wenn man auch die überschaubare Liste der Vor- und Nachsilben trainiert. Um die Effekte dieser Methode auf das Gehirn zu überprüfen, hat die Neuropsychologin Daniela Gebauer mittels funktioneller sowie diffusionsgewichteter Magnetresonanztomografie die Gehirnfunktion und -vernetzung von 45 ausgewählten Kindern zwischen neun und fünfzehn Jahren untersucht. "Wir hatten eine rechtschreibschwache Gruppe, die fünf Wochen mit 'Morpheus' trainiert wurde, eine rechtschreibschwache Gruppe, die nicht trainiert wurde, und eine nicht rechtschreibschwache Kontrollgruppe", berichtet die Forscherin.

Vor dem Training zeigten die rechtschreibschwachen Kinder im Vergleich zur Kontrollgruppe eine schlechtere Vernetzung in der rechten Hirnhälfte, was auf eine weniger effiziente Kommunikation zwischen rechtsseitigen Hirnregionen schließen lässt. "Das ist ein überraschender Befund", sagt Gebauer, "da wir nur in der linken Hemisphäre, die für sprachliche Aktivitäten üblicherweise als viel relevanter erachtet wird, eine schlechtere Vernetzung erwarteten."

Überdies zeigte sich bei den schlechten Rechtschreibern eine stärkere Aktivierung frontal und in der rechten Hirnhälfte, was auf erhöhte Aufmerksamkeit hinweise. "Die Aktivierung in der rechten Hemisphäre erfolgte in jenen Regionen, die für die Umwandlung von Buchstaben zu Lauten wichtig sind", erläutert die Neuropsychologin. "Es ist also zu vermuten, dass sich rechtschreibschwache Kinder die Wörter innerlich vorsagen, wodurch sie auch häufig Rechtschreibfehler wie 'Lera' statt ' Lehrer' oder 'Neuichkeit' statt 'Neuigkeit' machen." Die rechte Hemisphäre wird von ihnen demnach zum Kompensieren herangezogen, "aber dieser Plan B ist nicht wirklich effizient".

Signifikant verbessert

Die nächste Überraschung erlebten die Forscher dann nach Ende des fünfwöchigen Trainings: Rechtschreibung und Leseverständnis hatten sich bei der Trainingsgruppe signifikant verbessert, ebenso die "Vernetzung" in der rechten Hirnhälfte. Überdies zeigte sich eine stärkere Aktivierung in der linken Hemisphäre - und zwar in den für semantisches Wissen und das Abrufen erlernter Strategien zuständigen Arealen. "Diese Aktivierung haben wir bei den zwei anderen Gruppen nicht gefunden. Das beweist einmal mehr, wie neuroplastisch unser Gehirn ist und dass wir vieles bis ins hohe Alter verändern können", sagt Gebauer. Der Effekt verringert sich, wenn das Training abgebrochen wird, aber auch einen Monat nach Beendigung der regelmäßigen Übungsspiele lag er deutlich über dem Ausgangsniveau.

Um das Lernen möglichst lustvoll zu gestalten, haben die "Morpheus" -Entwickler die Übungen in unterhaltsame Computerspiele verpackt. "Für die Kinder waren die Trainingseinheiten deshalb keine Lernstunde, sondern ein Spiel", berichtet Gebauer. Zurzeit wird an der Entwicklung eines Morpheus-Programms speziell für Kinder mit Migrationshintergrund gearbeitet, mittels dessen auch die Grammatik trainiert werden soll. (Doris Griesser, DER STANDARD, 18.4.2012)


Der Standard 10. 4. 2012

STUDIE DER UNI GRAZ

Rechtschreibschwäche kann durch Training überwunden werden

10. April 2012, 16:50

Forscher aus Graz: Durch richtiges Training auch positive Veränderungen im Gehirn

Für jene Kinder und Jugendlichen, die an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leiden, gibt es Hoffnung. Die Ursache der Schwäche liegt mutmaßlich in der Funktion der sprachrelevanten Regionen des Gehirns. Laut einer Studie am Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz kann durch richtiges Training nicht nur die Rechtschreibfähigkeit und das Leseverständnis verbessert werden, auch im Gehirn erfolgen positive Veränderungen.

In der Studie wurde unter der Leitung von Andreas Fink und Christian Enzinger der Effekt des morphembasierten Trainings untersucht. Ein Morphem ist die kleinste Bedeutung tragende Einheit einer Sprache, zum Beispiel eine Vorsilbe. Die Kinder lernen bei dem Training, die Schreibweise der Wörter anhand bestimmter Regeln abzuleiten. So wird bei dem Training das Wort in eine Vorsilbe, einen Wortstamm und eine Endsilbe unterteilt, wobei die Besonderheiten der einzelnen Silben eingeprägt werden.

Fünf Wochen Training

"Vor dem Training zeigten rechtschreibschwache Kinder im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit durchschnittlichen Rechtschreibleistungen eine schlechtere Vernetzung der rechten Hirnhälfte, was eine weniger effiziente Kommunikation zwischen rechtsseitigen Hirnregionen vermuten lässt", so Daniela Gebauer, die im Rahmen des Forschungsvorhabens ihre Dissertation verfasste.

Kinder mit Rechtschreibschwäche wiesen vor dem Training eine stärkere Aktivierung frontal und in der rechten Hirnhälfte auf. "Das wiederum deutet auf erhöhte Aufmerksamkeit und die Verwendung einer Kompensationsstrategie hin, wie zum Beispiel das innerliche Vorsagen von Wörtern, um die Schreibweise zu erschließen", so Gebauer. Diese Strategie des Vorsagens führe zwar zu lautlich korrekten, orthografisch aber fehlerhaften Wörtern wie etwa "Lera" statt "Lehrer".

Das Training dauert fünf Wochen, in diesem Zeitraum ließen sich positive Veränderungen feststellen: Die rechtschreibschwachen Kinder verbesserten sich sowohl bei der Rechtschreibung als auch beim Leseverständnis. Die Ergebnisse der Studie werden bei einem Kongress in Graz vom 12. bis 14. April präsentiert. (red, derStandard.at, 10.4.2012)


ORF Steiermark News 10. 3. 2012

Neue Hoffnung bei Legasthenie

Richtiges Training kann bei Lese- und Rechtsschreibschwäche enorme Verbesserungen erzielen - so eine Studie der Karl-Franzens-Universität Graz. Im Mittelpunkt steht ein eigenes Trainingsprogramm, das in Graz entwickelt wurde.

Drei bis 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden an einer Lese-Rechtschreibschwäche, damit verbunden ist ein höheres Risiko für emotionale Schwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten. Eine mögliche Ursache wird in der Struktur und Funktion von sprachrelevanten Regionen im Gehirn vermutet.

Richtiges Training verändert die Gehirntätigkeit

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APA/dpa/Oliver Berg

Betroffene und Angehörige dürfen nun hoffen: Eine Studie am Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz lieferte erste Hinweise, dass richtiges Training nicht nur die Rechtschreibfähigkeit und das Leseverständnis verbessern, sondern auch zu positiven Veränderungen im Gehirn führen kann - damit ließe sich das Problem an der Wurzel packen.

Bis zu 15 Prozent der Kinder haben Probleme beim Lesen und beim Schreiben

„Morpheus“ soll bei Legasthenie helfen

Bei dem Trainingsprogramm „Morpheus“ geht es darum, dass Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwächen Schreibweisen von Wortgruppen verinnerlichen sollen. Damit lernen Kinder die Schreibweise eines Wortes anhand bestimmter Regeln abzuleiten - zum Beispiel, dass das Wort „verfahren“ aus der Vorsilbe ,ver-‘, dem Wortstamm ,-fahr-‘ und der Nachsilbe ,-en‘ gebildet wird, wobei man die Vorsilbe ,ver-‘ immer mit ,v‘ schreibt, und den Wortstamm ,-fahr-‘ immer mit stummem ,h‘, so die Mediziner.

Rechte Hirnhälfte schlechter vernetzt

Vor dem fünfwöchigen Training hätten rechtschreibschwache Kinder im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit durchschnittlichen Rechtschreibleistungen eine schlechtere Vernetzung der rechten Hirnhälfte gezeigt, was eine weniger effiziente Kommunikation zwischen rechtsseitigen Hirnregionen vermuten lässt, erklären die Experten. Nach dem Training hätten sich beim Großteil der Kinder deutliche Verbesserungen eingestellt, heißt es.

„Lehrer“ statt „Lera“

Zusätzlich wiesen Kinder mit Rechtschreibschwäche vor dem Training eine stärkere Aktivierung frontal und in der rechten Hirnhälfte auf - das wiederum deutet laut den Medizinern auf eine erhöhte Aufmerksamkeit und die Verwendung einer Kompensationsstrategie hin, wie zum Beispiel das innerliche Vorsagen von Wörtern, um die Schreibweise zu erschließen. Diese Strategie führe zu lautlich korrekten, aber orthographisch fehlerhaften Wörtern, wie etwa „Lera“ statt „Lehrer“.

Deutliche Erfolge nach dem Trainingsprogramm

Nach dem fünfwöchigen Training ließen sich laut den Forschern ganz klar positive Veränderungen feststellen: Bei den rechtschreibschwachen Kindern hätten sich sowohl die Rechtschreibleistung und das Leseverständnis, als auch die „Vernetzung“ in der rechten Hirnhälfte verbessert. Zusätzlich zeigten Hirnareale, die für das Abrufen der neu erlernten morphembasierten Strategie zuständig zu sein scheinen, eine gesteigerte Aktivierung.


Salzburger Nachrichten 30. April 2012

WISSEN

Hoffnung für rechtschreibschwache Kinder

Forscher der Universität Graz haben eine Methode gefunden, mit der die sprachrelevanten Regionen im Gehirn der Kinder trainiert werden können. Die Schüler zeigen nach dem Training bessere Rechtschreib- und Lesefähigkeiten.

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Rechtschreibschwachen Kindern könnte geholfen werden. Bild: SN/Ratzer.

Drei bis fünfzehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden an einer Lese-Rechtschreibschwäche. Damit verbunden ist ein höheres Risiko für emotionale Schwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten. Eine mögliche Ursache wird in der Struktur und Funktion von sprachrelevanten Regionen im Gehirn vermutet. Betroffene und Angehörige dürfen nun hoffen: Eine Studie am Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz lieferte erste Hinweise, dass richtiges Training nicht nur die Rechtschreibfähigkeit und das Leseverständnis verbessern, sondern auch zu positiven Veränderungen im Gehirn führen kann. Damit ließe sich das Problem an der Wurzel packen.

In der aktuellen Studie untersuchte ein Team unter der Leitung von Assoz. Univ.-Prof. Dr. Andreas Fink von der Karl-Franzens-Universität Graz und Assoz. Prof. Dr. Christian Enzinger von der Medizinischen Universität Graz den Effekt des morphembasierten Trainings "Morpheus" auf die Struktur und Funktion des Gehirns bei rechtschreibschwachen Kindern. Ein Morphem ist die kleinste Bedeutung tragende Einheit einer Sprache, wie etwa eine Vorsilbe. "Mit Morpheus lernen Kinder die Schreibweise eines Wortes anhand bestimmter Regeln abzuleiten. Zum Beispiel, dass das Wort 'verfahren' aus der Vorsilbe 'ver-', dem Wortstamm '-fahr-' und der Nachsilbe '-en' gebildet wird, wobei man die Vorsilbe 'ver-' immer mit 'V' schreibt, und den Wortstamm '-fahr-' immer mit stummem 'H'", erklärt Fink.

"Vor dem Training zeigten rechtschreibschwache Kinder im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit durchschnittlichen Rechtschreibleistungen eine schlechtere Vernetzung der rechten Hirnhälfte, was eine weniger effiziente Kommunikation zwischen rechtsseitigen Hirnregionen vermuten lässt", berichtet Dr. Daniela Gebauer, die im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ihre Dissertation verfasst hat. Zusätzlich wiesen Kinder mit Rechtschreibschwäche vor dem Training eine stärkere Aktivierung frontal und in der rechten Hirnhälfte auf. "Das wiederum deutet auf erhöhte Aufmerksamkeit und die Verwendung einer Kompensationsstrategie hin, wie zum Beispiel das innerliche Vorsagen von Wörtern, um die Schreibweise zu erschließen", so Gebauer. Diese Strategie führe zu lautlich korrekten, aber orthographisch fehlerhaften Wörtern, wie etwa "Lera" statt "Lehrer".

Nach dem fünfwöchigen Training ließen sich ganz klar positive Veränderungen feststellen: Bei den rechtschreibschwachen Kindern hatten sich sowohl die Rechtschreibleistung und das Leseverständnis als auch die "Vernetzung" in der rechten Hirnhälfte verbessert. Zusätzlich zeigten Hirnareale, die für das Abrufen der neu erlernten morphembasierten Strategie zuständig zu sein scheinen, eine gesteigerte Aktivierung.


Woche/Leibnitz 9. Februar 2012

Eine Bereicherung für die Schulstadt Leibnitz

In Leibnitz gibt es rund 11.000 Schüler. Jetzt gibt es auch Hilfe bei Legasthenie.

Gerade wenn ein Zeugnis naht, führen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben erfahrungsgemäß verstärkt zu Frust und Belastung. Oftmals bringt die Sorge vor dem drohenden „Nicht genügend" in Deutsch oder anderen Fremdsprachen Stresszustände und Angst mit sich. Ca. 10% aller SchülerInnen in Österreich verdanken ihre Schulprobleme und die daraus resultierenden psychischen Begleiterscheinungen nicht ihrer Faulheit oder mangelnden Begabung, sondern einer Lese-Rechtschreib-Schwäche. In der Steiermark mit ca. 160.000 Schülern (Quelle Statistik Austria) kann man also selbst bei vorsichtiger Schätzung von über 10.000 Betroffenen ausgehen und selbst in den einzelnen Bezirken wie z.B. Leibnitz (ca. 11.000 Schüler) oder Deutschlandsberg (ca. 8.000) dürften hunderte Schüler und Schülerinnen mit diesem Problem konfrontiert sein.

Neues Angebot in Leibnitz

„Wird auf diese Probleme nicht richtig reagiert, bauen die Kinder Schulangst auf und entwickeln Verweigerungshaltungen, was die Bildungslaufbahn auch normal intelligenter Kinder äußerst negativ beeinflussen kann“, weiß Reinhard Kargl vom Verein zur Förderung legasthener Menschen mit Sitz in der Bahnhofstraße in Leibnitz.

SYMPTOME & INFOS

Symptome, auf die man achten sollte: Das Kind lehnt das Schreiben und Lesen ab. Die Anzahl der Rechtschreibfehler vermindert sich auch bei vermehrtem Üben kaum. Das Lesen bleibt trotz großer Anstrengung fehlerhaft und holprig. Die Anzahl der Fehler nimmt vor allem beim freien Schreiben stark zu. Das Erlernen einer Fremdsprache bereitet in den meisten Fällen Probleme. Auch bei Abschreibübungen schleichen sich Fehler ein. Deutsch wird mit der Zeit als Fach abgelehnt.

Kontakt: Dr. Reinhard Kargl Verein zur Förderung legasthener Menschen, Bahnhofstraße 14, Leibnitz, Tel.: 0316/692802, legasthenie@aon.at, www.lrs-legasthenie.at


Der Standard

"FETZENLITERATUR"

Hoffnung für rechtschreibschwache Kinder

SMS, Facebook und die Mär von der falschen Rechtschreibung

LISA AIGNER, 26. Jänner 2012 10:25

SMS-Schreiben lässt die Rechtschreibkenntnisse verkümmern, meinen viele. Eine Studie kommt zu einem anderen Ergebnis.

Neue Medien beeinflussen Rechtschreibung nicht - Jugendliche machen in der Schule nicht dieselben Fehler wie in SMS

"jo fein aber jetzt tusas dann mal mitn posten", "u sowas in der prüfungszeit! :-D", "ois guade!!": Das sind ein paar Auszüge aus Kommentaren, Pinnwandeinträgen und Statusmeldungen auf Facebook. In neuen Medien wird auf Groß- und Kleinschreibung, Satzzeichen und Rechtschreibung generell wenig Rücksicht genommen. Wie eine Studie ergeben hat, hängen die Rechtschreibkenntnisse der Jugend allerdings nicht mit den neuen Medien zusammen. Auch dass die Rechtschreibkenntnisse generell abnehmen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

"Fetzenliteratur"

Schlechte Rechtschreibkenntnisse sind in den Schlagzeilen der Tageszeitungen immer wieder ein Thema. So haben die orthografischen Kenntnisse von Polizei-Anwärtern dazu geführt, dass die Volkshochschule in Vorarlberg einen Kurs im Rechtschreiben als Vorbereitung für die Prüfung anbietet. Selbst Maturanten, die Lehrer werden wollen, haben Probleme, die Prüfung für das Studium zu bestehen, weil sie zu schlecht rechtschreiben. Der Vorsitzende des Rechtschreibrates in Deutschland hat für das Problem eine einfache Lösung parat: Die "Fetzenliteratur" auf Twitter und in SMS bedroht nach Ansicht von Hans Zehetmair die Sprachkompetenz junger Leute.

Nicht nur Jugendliche betroffen

So simpel ist es nicht. Grundsätzlich falsch sei die These deshalb, weil Twitter vor allem von Erwachsenen und nicht von Jugendlichen genutzt werde, sagt Christa Dürscheid von der Universität Zürich, die sich vor allem mit neuen Medien und deren Auswirkungen auf die deutsche Sprache beschäftigt. "Wahrscheinlich hat Zehetmair vor allem SMS gemeint und nicht genau gewusst, wovon er da spricht", sagt sie im Gespräch mit derStandard.at. Doch auch bei SMS würden Erwachsene und nicht nur Jugendliche Abkürzungen verwenden, um sich Tippaufwand zu ersparen.

Alltagskommunikation

"Wenn Zehetmair jetzt sagt, das ist Fetzenliteratur, muss man sagen, dass das gar keine Literatur ist. Das ist Alltagskommunikation", führt Dürscheid aus. Wie man schreibt und ob man die Regeln der Rechtschreibung beachtet, hängt demnach vor allem damit zusammen, ob es sich um einen formellen Text handelt oder ob man mit einer vertrauten Person kommuniziert. "Informeller Text ist oft an eine vertraute Person gerichtet, und da kann man davon ausgehen, dass eine gewisse Toleranz da ist. Wenn eine Nachricht über das Handy kommt, dann ist die auch unter bestimmten Bedingungen geschrieben. Das heißt, man ist selbst auch toleranter gegenüber Fehlern und es passiert einem selbst auch eher, dass man Fehler macht", erklärt die Sprachwissenschaftlerin.

Kein Zusammenhang mit neuen Medien

In einer Studie hat Dürscheid untersucht, ob Jugendliche zwischen dieser Alltagskommunikation und formellen Texten unterscheiden können. Das Ergebnis: Sie können. "Wir haben Texte, die Schüler in ihrer Freizeit in den neuen Medien verfasst haben, mit solchen Texten verglichen, wie sie in der Schule geschrieben werden müssen. Wir konnten feststellen, dass Merkmale, die für die neuen Medien typisch sind - also Kleinschreibung, Abkürzungen, Smileys -, verschwindend gering sind." Einen Zusammenhang zwischen schlechten Rechtschreibkenntnissen und neuen Medien gibt es dieser Studie zufolge also nicht.

Rechtschreibleistungen sinken

Das beweist allerdings noch nicht, dass die Rechtschreibkenntnisse generell nicht doch abnehmen. Laut Reinhard Kargl, Leiter des Lese- und Rechtschreibinstitutes in Graz, gibt es Studien, denen zufolge Testpersonen heute schlechter rechtschreiben als in den 1970er-Jahren. "Während die Intelligenz meist um ein paar Prozentpunkte steigt, sinken die Leistungen in der Rechtschreibung", so Kargl. Ein Grund dafür könne sein, dass in Schulen manchmal die Rechtschreibung nicht mehr so wichtig genommen werde. "In der Schule gilt oft, dass es wichtiger ist, dass die Schüler gut schreiben können und intelligent sind. Trotzdem ist es in der Schul- und der Berufswahl immer noch so, dass sehr viel von der Rechtschreibleistung abhängt", erklärt er.

Zu wenig Zeit in der Schule

Ein Faktor, der bei schlechten Rechtschreibkenntnissen mitspiele, sei auch, dass weniger Zeit darauf verwendet werde, die Grundfertigkeiten abzusichern. Zudem seien die Anforderungen an die Schüler beim Lesen und Schreiben stark gestiegen. "Im beruflichen Umfeld ist es heutzutage so, dass jeder mit Lesen und Schreiben konfrontiert wird", sagt Kargl.

Mehr Personen müssen rechtschreiben können

Kann man also sagen, dass die Rechtschreibkenntnisse vielleicht gar nicht schlechter geworden sind, sondern einfach von mehr Personen gute Rechtschreibung gefordert wird? "Da steckt sicher eine Wahrheit drinnen. Das wiederum würde aber nicht erklären, warum Österreich im Vergleich zu anderen Ländern hier besonders schlecht abschneidet", so Kargl. Auch die schlechter werdenden Ergebnissen, die Lehrer- und Polizei-Anwärter bei Prüfungen erbringen, könnten so erklärt werden. "Da ist die Frage, ob die Leute wirklich schlechter geworden sind oder ob sich einfach mehr Leute anmelden. Das hat sich alles sehr stark verändert, auch durch die Soziodemografie, die dahintersteckt", meint Kargl.

"Heilige Kuh" Groß- und Kleinschreibung

Lösen könnte man das Problem vieler Rechtschreibfehler möglicherweise durch eine Vereinfachung der Regeln. Christa Dürscheid von der Universität Zürich dazu: "Ein Argument dafür wäre, dass die Kinder, die die Rechtschreibung lernen, es dann viel einfacher haben." Sie glaubt aber nicht daran, dass "in den nächsten 50 Jahren" an der Groß- und Kleinschreibung gerüttelt wird. "Das ist eine heilige Kuh", so Dürscheid.

"Es wäre eben viel einfacher, wenn man alle Substantive kleinschreiben würde. Aber wir Alt-Schreiber haben diese Regeln verinnerlicht, da sind wir alle sehr konservativ. Das Schreiben ist eine Art der Identität. Das hat man gelernt, da möchte man die Rechtschreibung in dieser Art und Weise bewahren", erklärt sie die tiefe Abwehr gegen Änderungen der Rechtschreibregeln.

Rechtschreibung als Statussymbol

Dass die Rechtschreibung und deren Reform auch an Stammtischen und in Internetforen heftig diskutiert werden, erklärt die Sprachwissenschaftlerin auch damit, dass Rechtschreibung für viele ein Ausdruck von Bildung ist. "Wer viele Schreibfehler macht, hat eine mangelnde Bildung" - das sei eine Korrelation, die oft gemacht werde. Kargl erklärt die ablehnende Haltung gegenüber Rechtschreibreformen ebenfalls damit, dass sie ein "Bildungsstatussymbol" sei: "Ob ich ein exzellenter Mathematiker bin oder ein sehr gutes Fachwissen habe, zeigt sich erst auf den zweiten Blick." (Lisa Aigner, derStandard.at, 26.1.2012)

Buch zur Studie:

Christa Dürscheid, Franc Wagner, Sarah Brommer (2010): Wie Jugendliche schreiben. Schreibkompetenz und neue Medien


Kleine Zeitung, 2. Dezember 2010

Defizite mit Ruhe und Geduld abbauen

In Kindberg wurde ein Lese-Rechtschreib-Institut, vor allem für Legastheniker, eröffnet.

Legastheniker haben das Problem, dass sie beim Schreiben und Lesen Buchstaben vertauschen oder ganze Silben verdrehen. Das hat zur Folge, dass sie in der Schule oft schlecht abschneiden, gehänselt werden - und nicht immer wird ihr Problem ernst genommen. Schreiben und Lesen macht diesen Kindern keine Freude, was das Problem noch zusätzlich verschärft.

In Kindberg wurde kürzlich ein "Lese-Rechtschreib-Institut" eröffnet, das sich speziell diesen Kindern widmet - aber auch Erwachsenen, die dieses Problem seit ihrer Schulzeit mit sich herumtragen. Laut Reinhard Kargl, dem Leiter des Instituts, geht man bei der Arbeit mit Legasthenikern ähnlich vor wie bei normaler Rechtschreibschwäche, "nur langsamer, geduldiger und individueller".

Deshalb wird vor allem Einzelunterricht geboten, wie Kargl sagt: "Die Schüler kommen einmal pro Woche für eine Stunde zu uns, und sie bekommen ein Hausübungspaket mit Übungen für jeden Tag."

Bis vor Kurzem waren ausgewiesene Legastheniker in der Rechtschreibung toleranter zu beurteilen. Mittlerweile hat die Rechtschreibung in der Schule an Stellenwert verloren, trotzdem muss man sie beherrschen, um bei der Berufswahl nicht eingeschränkt zu sein.

Bis vor Kurzem waren ausgewiesene Legastheniker in der Rechtschreibung toleranter zu beurteilen. Mittlerweile hat die Rechtschreibung in der Schule an Stellenwert verloren, trotzdem muss man sie beherrschen, um bei der Berufswahl nicht eingeschränkt zu sein. Gemeinsam mit Christoph Ajd und David Kalcher betreut Kargl vorerst die Bezirke Bruck und Mürzzuschlag. Bei einem Tag der offenen Tür hatte das Institut - ein gemeinnütziger Verein - bereits regen Zulauf, vor allem von Lehrerinnen und Lehrern. Auch der Kindberger Bürgermeister Christian Sander war zu Gast. Die Stadt hatte dem Verein geholfen, die Räumlichkeiten in guter Lage - Hauptstraße 13 - zu finden. Infos findet man unter www.lrs-legasthenie.at

FRANZ POTOTSCHNIG


Die Presse Printausgabe,15. 5. 2010 von Erich Witzmann

Morphemprogramm: Kampf dem Fehlerteufel

Eine von Psychologen in Graz entwickelte neue Methode soll Schülern helfen, die mit der Rechtschreibung gröbere Probleme haben.

Wer nämlich mit ,h‘ schreibt ist dämlich.“ Wer kennt diesen Merksatz aus seiner Schulzeit nicht. Oder den Hinweis über „das“ und „daß“ bzw. heute „dass“: Wenn man dieses Wort in der Umgangssprache als „des“ ausdrücken kann, dann handelt es sich um den Artikel oder das Relativpronomen, andernfalls um das mit „ß“ (heute „ss“) geschriebene Bindewort. Dergleichen Sprüche sollten den Schülern als Krücken im Dschungel der Rechtschreibung dienen.

Nadja Kozel wird diese Rechtschreibhilfen vielleicht dämlich finden. Die Doktorandin am Institut für Psychologie der Universität Graz arbeitet unter der Devise „Kampf dem Fehlerteufel“ an einem Programm, das Lese- und Rechtschreibstörungen beseitigen soll. Und da geht es sicherlich nicht um das Auswendiglernen von bestimmten Regeln. „Ein neuer Ansatz vertreibt den Fehlerteufel aus den Schulheften“, sagt Kozel, die bereits für ihre Diplomarbeit 2009 mit dem Preis „Initiative Gehirnforschung Steiermark“ ausgezeichnet wurde.

Morpheme statt Silben. Das Programm, das Kozel gemeinsam mit dem Lese-Rechtschreib-Institut Graz entwickelt hat, beginnt mit einer Studie: Bei Probanden (zwischen neun und 16 Jahren), die sich für die Testreihe gemeldet haben, wird eruiert, ob die Schwächen eher im Lesen, im Rechtschreiben (Legasthenie) oder in beiden Bereichen vorliegen. Danach richtet sich das Trainingsprogramm. „Besonders wichtig ist uns der individuelle Zugang zu jedem Probanden, zu jeder Probandin“, sagt die junge Forscherin. Auf der einen Seite geht es dabei um das sinnverstehende Lesen, auf der anderen aber – und das ist das Neue des Grazer Projekts – unterziehen sich die Teilnehmer dem neu entwickelten Computerprogramm „Morpheus“. Morpheme sind die kleinsten, lexikalisch definierten Einheiten einer Sprache. Kozel erläutert dies an einem Beispiel: Das Wort „Umfahrung“ besteht aus der Vorsilbe „um“, dem Wortstamm „fahr“ und der Nachsilbe „ung“. Wenn das Kind weiß, dass der Wortstamm „fahr“ immer mit einem Dehnungs-h geschrieben wird, kann es eine Vielzahl von Wörtern richtig schreiben, ohne dass die Schreibung jedes Wortes einzeln gelernt werden muss. Parallel zu den Anfangsübungen unterziehen sich die Kinder einem Elektroenzephalogramm (EEG). Mit der neurowissenschaftlichen Messtechnik – das Kind bekommt dabei eine Elektrodenhaube auf den Kopf gesetzt – werden Gehirnströme und damit die Auswirkungen während des Trainings auf die Hirnaktivitäten untersucht. Charakteristisch für Personen mit Lese-Rechtschreibstörung ist eine geringe Aktivität in den sprachrelevanten Arealen des Gehirns. Ein Training kann diese Gehirnreaktionen aktivieren, wie eine zweite EEG-Untersuchung nach fünf Wochen zeigt. Der Morphemansatz werde in der Schule kaum bis gar nicht erklärt, sagt Kozel. Auch im Förderunterricht für Rechtschreibschwache liegt die konventionelle Methode bei der Zerlegung eines Wortes in Silben. Das kann aber zu einer neuen Verwirrung führen. Das Wort „Rückmeldung“ in Silben zerlegt, nämlich „Rück“, „mel“ und „dung“, lässt keinen Schluss auf das Morphem „meld(en)“ zu. „Unser Trainingsprogramm ist viel regelgeleiteter, es wird die Regel der Wortstämme erklärt“, sagt die Grazer Forscherin. Daher sei es für Schüler transparenter und leichter, mit dem Sinn auch die richtige Schreibung zu finden. Passivere Mädchen. Gibt es einen Unterschied zwischen Burschen und Mädchen? Im Unterricht würden rechtschreibschwache Mädchen weniger auffallen, wenn sie etwas nicht können, sie verhalten sich ruhiger, sind eher passiv. Aber dann meint Nadja Kozel doch, dass sie es mehrheitlich mit Buben zu tun habe. Die Gründe seien vielschichtig, da gebe es genetische, biologische und natürlich auch soziale Fakten.

Eine Übungsphase dauert übrigens fünf Wochen mit je einem Präsenztag pro Woche am Institut. Im Training sind spielerische Aufgaben am PC zu lösen, aber auch Übungen „mit Bleistift und Papier“ stehen auf dem Programm. Für die Tage bis zum nächsten Institutstraining werden ebenfalls spielerische PC-Übungen und Aufgabenbögen mitgegeben.

Morphemprogramm trainieren wollen, dann sind auch Kurse am Lese-Rechtschreib-Institut in Graz und in der Wiener Außenstelle möglich. „Die Grundlagenforschung ist gut“, sagt Nadja Kocel, „aber mich interessiert auch die Anwendung.“ Da die Fertigstellung der Dissertation erst für den Sommer 2011 geplant ist, wird jetzt noch eine Ausweitung folgen: ein Morphemprogramm für Englisch.

Das Morphemprogramm

wird gemeinsam mit dem Lese-Rechtschreib-Institut Graz (Reinhard Kargl, Christian Purgstaller) durchgeführt. Ein Kurs kostet 260 Euro. Die Forscherin Nadja Kozel (Institut für Psychologie der Uni Graz, betreut von Dozent Andreas Fink) sucht noch Probanden für ihre Studien. Info und Anmeldung: nadja.kozel@uni-graz.at

© DiePresse.com

http://diepresse.com/home/bildung/schule/565381/print.do 17.05.2010


ORF Steiermark/Magazin/Wissen, 1. Februar 2010

Uni Graz testet Legasthenie-Training

Sie scheitern regelmäßig beim Lesen und Schreiben, weil sie häufig ähnliche Wörter verwechseln oder Vokale auslassen: Für ein neues Trainingsprogramm sucht die Uni Graz nun Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung.

Gemeinsam mit dem Grazer Lese-Rechtschreib-Institut wurde ein Programm entwickelt, in dem Kinder und Jugendliche spielerisch besseres Lesen und Rechtschreiben trainieren können.

Wie wirkt sich Lernprogramm aus?

In Vor- und Nachtests per Elektroenzephalogramm (EEG) werden die Auswirkungen des Lernprogramms auf die Hirnaktivierung untersucht.

Individueller Zugang wichtig

Zu Beginn wird eruiert, ob die Schwächen der Schüler eher im Lesen, im Rechtschreiben oder in beiden Bereichen vorliegen. "Danach stufen wir die Testpersonen in die jeweils passende Trainingsgruppe ein. Besonders wichtig ist uns hier der individuelle Zugang zu jeder Testperson", erklärt Nadja Kozel von Institut für Psychologie - Kozel schreibt ihre Dissertation über die Effektivität des Tests.

Spielerisches Üben

Im Anschluss trainieren die Teilnehmer sinnverstehendes Lesen: Hier wird die Rechtschreibung mit dem Computerprogramm "Morpheus" spielerisch geübt. In diesem - in Graz konzipierten - Programm erscheinen die Wörter nicht mehr nur als Buchstabenkombinationen, sondern werden bewusst in Vor- und Nachsilben bzw. Wortstämme, so genannte Morpheme - zerlegt.

"Um-fahr-ung"

"Das Wort 'Umfahrung' zum Beispiel besteht aus der Vorsilbe 'um', dem Wortstamm 'fahr' und der Nachsilbe '-ung'", so Kozel. Wenn die Kinder lernen, dass 'fahr' immer mit einem Dehnungs-'h' geschrieben wird, sollten sie eine Vielzahl von Wörtern richtig schreiben, ohne dass jedes Wort einzeln gelernt werden muss.

Nach einer ersten Evaluation wird bei Ende des Trainings und zwei Monate später mit einem EEG getestet. "Charakteristisch für Personen mit Lese-Rechtschreib-Störung ist eine geringe Aktivität in sprachrelevanten Arealen des Gehirns", so Kozel. Nach dem Training sollte es hier deutliche Veränderungen geben.

Zur weiteren Evaluierung werden laufend Testpersonen gesucht. Dabei können sich Kinder mit Lese-Rechtschreib-Störungen im Alter zwischen neun und 16 Jahren einem fünfwöchigem Intensivtraining unterziehen.


Kleine Zeitung, 28. 1. 2010

Legasthenie: Uni Graz testet Trainingsprogramm

Programm entwickelt, in dem Kindern und Jugendlichen spielerisch besseres Lesen und Rechtschreiben trainieren können. Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung als Probanden gesucht.

Sie scheitern regelmäßig beim Lesen und Schreiben, weil sie häufig ähnliche Wörter verwechseln oder Vokale auslassen, Laute nicht richtig unterscheiden oder ungewöhnlich viele Wörter falsch schreiben: Kinder mit Lese- und Rechtschreib-Störung. An der Uni Graz wurde gemeinsam mit dem Grazer Lese-Rechtschreib-Institut ein Programm entwickelt, in dem Kindern und Jugendlichen spielerisch besseres Lesen und Rechtschreiben trainieren können.

mit Lese-Rechtschreib-Störungen im Alter zwischen neun und 16 Jahren einem fünfwöchigem Intensivtraining unterziehen. In Vor- und Nachtests per Elektroenzephalogramm (EEG), werden die Auswirkungen des Lernprogramms auf die Hirnaktivierung untersucht. Zu Beginn wird eruiert, ob die Schwächen der Schüler eher im Lesen, im Rechtschreiben oder in beiden Bereichen vorliegen. "Danach stufen wir die Testpersonen in die jeweils passende Trainingsgruppe ein. Besonders wichtig ist uns hier der individuelle Zugang zu jeder Testperson", erklärt Nadja Kozel von Institut für Psychologie im Gespräch mit der APA. Kozel schreibt ihre Dissertation über die Effektivität des Tests.

Im Anschluss trainieren die Teilnehmer sinnverstehendes Lesen. Hier wird die Rechtschreibung mit dem Computerprogramm "Morpheus" spielerisch geübt. In diesem - in Graz konzipierten - Programm erscheinen die Wörter nicht mehr nur als Buchstabenkombinationen, sondern werden bewusst in Vor- und Nachsilben bzw. Wortstämme, sogenannte Morpheme - zerlegt. "Das Wort 'Umfahrung' zum Beispiel besteht aus der Vorsilbe 'um', dem Wortstamm 'fahr' und der Nachsilbe '-ung'", so Kozel. Wenn die Kinder lernen, dass 'fahr' immer mit einem Dehnungs-'h' geschrieben wird, sollten sie eine Vielzahl von Wörtern richtig schreiben, ohne dass jedes Wort einzeln gelernt werden muss. Nach einer ersten Evaluation wird bei Ende des Trainings und zwei Monate später mit einem EEG getestet. "Charakteristisch für Personen mit Lese-Rechtschreib-Störung ist eine geringe Aktivität in sprachrelevanten Arealen des Gehirns", so Kozel. Nach dem Training sollte es hier deutliche Veränderungen geben.


Die Presse.com, 28. 01. 2010

Neues Trainingsprogramm gegen Legasthenie

In einem fünfwöchigen Intensivtraining können Kinder ihre Lese-Rechtschreibstörung bekämpfen. Für das neue Programm der Uni Graz werden noch Probanden gesucht.

"Tsettel", "schpielen" oder "Schitzrichter" – diese und andere Fehler passieren rund 15 Prozent aller Schüler im deutschsprachigen Raum. Kinder mit Lese- und Rechtschreib-Störung scheitern regelmäßig, weil sie häufig ähnliche Wörter verwechseln oder Vokale auslassen, Laute nicht richtig unterscheiden oder ungewöhnlich viele Wörter falsch schreiben. An der Uni Graz wurde gemeinsam mit dem Grazer Lese-Rechtschreib-Institut ein Programm entwickelt, in dem Kindern und Jugendlichen spielerisch besseres Lesen und Rechtschreiben trainieren können. Die Wirksamkeit der Kurse wurde bereits in drei Studien überprüft und bestätigt.

Zur weiteren Evaluierung werden laufend Testpersonen gesucht, teilte die Uni Graz am Donnerstag mit. Dabei können sich Kinder mit Lese-Rechtschreib-Störungen im Alter zwischen neun und 16 Jahren einem fünfwöchigem Intensivtraining unterziehen. In Vor- und Nachtests per Elektroenzephalogramm (EEG), werden die Auswirkungen des Lernprogramms auf die Hirnaktivierung untersucht.

Zu Beginn wird eruiert, ob die Schwächen der Schüler eher im Lesen, im Rechtschreiben oder in beiden Bereichen vorliegen. "Danach stufen wir die Testpersonen in die jeweils passende Trainingsgruppe ein. Besonders wichtig ist uns hier der individuelle Zugang zu jeder Testperson", erklärt Nadja Kozel von Institut für Psychologie. Kozel schreibt ihre Dissertation über die Effektivität des Tests.

Wörter haben Wortstämme

Im Anschluss trainieren die Teilnehmer sinnverstehendes Lesen. Hier wird die Rechtschreibung mit dem Computerprogramm "Morpheus" spielerisch geübt. In diesem - in Graz konzipierten - Programm erscheinen die Wörter nicht mehr nur als Buchstabenkombinationen, sondern werden bewusst in Vor- und Nachsilben bzw. Wortstämme, sogenannte Morpheme - zerlegt. "Das Wort 'Umfahrung' zum Beispiel besteht aus der Vorsilbe 'um', dem Wortstamm 'fahr' und der Nachsilbe '-ung'", so Kozel. Wenn die Kinder lernen, dass 'fahr' immer mit einem Dehnungs-'h' geschrieben wird, sollten sie eine Vielzahl von Wörtern richtig schreiben, ohne dass jedes Wort einzeln gelernt werden muss.

Nach einer ersten Evaluation wird bei Ende des Trainings und zwei Monate später mit einem EEG getestet. "Charakteristisch für Personen mit Lese-Rechtschreib-Störung ist eine geringe Aktivität in sprachrelevanten Arealen des Gehirns", so Kozel. Nach dem Training sollte es hier deutliche Veränderungen geben.


Die Presse, 15. 11. 2009 von Bettina Steiner

Legasthenie: Die Tortur mit den Stuchbaben

Legasthenie wird noch immer zu spät erkannt. Zu spät für viele Kinder. Dann helfen oft nur professionelle Trainer. Eltern, die mit ihren Kindern üben, sollten sich auf einiges gefasst machen.

Allein das Abschreiben war entsetzlich. Camillo hat auf die Tafel geschaut und dann wieder aufs Blatt - aber auf dem Weg zum Blatt wusste er nicht mehr, in welcher Zeile er überhaupt war. Und wenn er wieder auf die Tafel geschaut hat, hat er vergessen, welchen Buchstaben er abschreiben sollte." Camillo ist heute zehn, ein schmaler Bub, der sich für die alten Römer interessiert, gerne an Motoren herumbastelt und sich ungewöhnlich gewählt ausdrückt. Wie so oft wurden seine Schwierigkeiten zwar früh erkannt, einen Namen bekamen sie aber erst spät. Bis die Diagnose Legasthenie feststand, galt Camillo bei seiner Lehrerin als lernschwach und leicht ablenkbar.

Dabei hätten die Probleme beim Abschreiben schon ein Hinweis sein können: „Abschreiben stellt man sich einfach vor. Das ist es aber nicht“, erklärt Reinhard Kargl, Leiter des Lese-Rechtschreib-Instituts in Graz: „Man muss einen Buchstaben erlesen, ihn im Kurzzeitgedächtnis behalten, sich ihn dann wieder diktieren. Jeder dieser Schritte ist anfällig für Störungen.“

Wobei nicht alle Kinder mit Legasthenie Abschreibfehler machen. Und nicht alle Kinder, die sich anfangs mit dem Abschreiben schwertun, Legastheniker sind. Leserechtschreibschwäche kann mehrere Ursachen haben – und prägt sich unterschiedlich aus. Was die Diagnose noch erschwert: „Klassische“ legasthene Fehler gibt es nicht. „Kinder durchlaufen beim Erwerb der Schriftsprache verschiedene Phasen. Das ,d‘ und das ,b‘ etwa verwechseln viele Erstklässler. Nur wenn die Fehler auch in der zweiten Klasse anhalten, ist das ein Alarmsignal. Oder wenn Kinder Wörter in einem Text einmal richtig, dann wieder falsch schreiben.“

Interessanterweise ist eine Prognose im Kindergarten oft leichter: Schwierigkeiten, Reime oder Anlaute zu erkennen, sind in diesem Alter ein starkes Indiz für eine mögliche spätere Rechtschreibschwäche: „In der Schule ziehen die Kinder dann schnell gleich.“ Bei Verdacht kann nur ein Test Sicherheit schaffen.

Aber was tun, wenn die Diagnose feststeht? Camillos Mutter hat zum einen begonnen, mit ihrem Sohn nach dem Programm von Brigitte Sindelar zu arbeiten. Es hilft dem Buben, sich auf Schrift zu konzentrieren, sich im Raum zu orientieren, aufmerksam zuzuhören. Zum Zweiten wechselte sie die Schule. „Zu diesem Zeitpunkt war er bereits völlig demotiviert. Nie gab es ein Lob, das nicht gleichzeitig auch Kritik war. Unter seinen Arbeiten standen Sätze wie: ,Jetzt habe ich dich in einen separaten Raum gesetzt und du hast immer noch so viele Fehler!‘ Ich habe die Hefte von damals fast alle weggeschmissen. Es hört sich krass an, aber die Lehrerin hätte mir fast den Glauben an mein Kind genommen.“

„Wenn die Kinder zu uns kommen, haben sie natürlich schon eine Geschichte“, sagt Reinhard Kargl. „Unsere Aufgabe ist es zunächst einmal, ihnen zu zeigen, dass Deutsch, wenn nicht unbedingt Spaß machen, so wenigstens interessant sein kann.“ Das gelingt gerade bei den Kleineren gut mit dem Kieler Leseaufbau: Er stellt Lesespiele bereit, die nach den Prinzipien von „Memory“ oder „Halligalli“ funktionieren. Bei älteren Kindern hat Kargl gute Erfahrungen mit dem Marburger Rechtschreibtraining gemacht. „Allerdings eignet sich dieses Training nur für Kinder, die gerne mit Regeln arbeiten.“ Was andere intuitiv machen, etwa nach einem kurzen Vokal zwei Konsonanten zu schreiben – wie in „rennen“, „passen“, „hoffen“ –, das lernen legas-thene Kinder mit diesem Programm bewusst. Auch bei den älteren Kindern gilt: Abwechslung hilft. Kargl und sein Team arbeiten mit Whiteboards, Computern, auch mit Schiefertafeln.

Üben, üben, üben. Aber was können Eltern tun? „Wenn Eltern mit ihren Kindern üben, müssen sie sich sehr gut auskennen.“ Und sich durchsetzen. Nicht nur, wenn es darum geht, „schon wieder“ für das blöde Deutsch zu lernen. „Kinder erfinden oft falsche Regeln, um ihre Schwäche zu kompensieren. Ich hatte neulich einen Schüler, der hat behauptet, er höre heraus, ob man ein V oder ein F schreibt. Uns glauben die Kinder dann eher.“

Der häufigste Fehler, der Eltern unterläuft: Sie wiederholen nicht genug. „Das Lernwort wird fürs Diktat gelernt und nach zwei Wochen ist es wieder weg. Dabei hätte das Kind das Wort in diesen zwei Wochen täglich wiederholen müssen.“ Außerdem orientieren sich die Eltern zu stark am Lehrplan: „Wenn in der vierten Klasse Volksschule die S-Schreibung durchgemacht wird, dann üben die Eltern mit den Kindern die S-Schreibung. Auch wenn es vielleicht mit der Zuordnung von Laut und Buchstaben noch gar nicht sicher klappt!“ Das Ergebnis: Trotz aller Mühe bleibt der Erfolg aus.

40 Prozent Verbesserung. Im Lese-Rechtschreib-Institut rechnet man mit der Verringerung der Fehleranzahl um 40 Prozent binnen eines Jahres. „Das ist nicht wenig, auch wenn es noch nicht für eine positive Note reichen muss.“ Ziel der Therapie sei es, die Kinder im Lesen und Schreiben so sicher zu machen, dass die Legasthenie den Bildungsweg der Schüler nicht behindert: dass sie also auch ein Gymnasium absolvieren können.

Camillo geht jetzt in die vierte Klasse Volksschule. Er fühlt sich wieder wohl im Unterricht, hat Blockaden abgebaut, seine Leistungen werden besser, auch wenn er noch nicht Anschluss gefunden hat. Zu viel ist nachzuholen: „Mir ist wichtig, dass er auch Zeit hat zu spielen, aber eigentlich müsste ich jeden Tag mit ihm zwei Stunden lesen und schreiben – und auch rechnen.“ Camillos Mutter seufzt: „Camillo hat noch zwei Brüder. Aber eigentlich müsste er Einzelkind sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2009)


Profil, 29. Juni 2009

Legasthenie ist heilbar

Von der Lese- und Rechtschreibschwäche sind in Österreich Schätzungen zufolge vier bis acht Prozent aller schulpflichtigen Kinder betroffen. Gänzlich ist der Defekt, der genetisch bedingt, aber auch laut neuen Erkenntnissen durch problematische Schwangerschaften ausgelöst werden kann, „nicht behebbar, aber man kann durch gezieltes Training erhebliche Verbesserungen erreichen“, so die Psychologin Eva Sebök vom Wiener Lese-Rechtschreib-Institut, das sich seit zehn Jahren die Therapie betroffener Kinder zur Aufgabe gemacht hat. Zwar würden in vielen Schulen schon Legasthenie-Förderstunden angeboten, doch die herrschende Ignoranz bezüglich der Schwäche mache noch vielen Kindern die Schule zur Hölle: „Sie werden beständig abgewertet und als faul und dumm stigmatisiert.“ Schließlich würden noch viele Lehrer unterrichten, in deren pädagogischer Ausbildung der Umgang mit Legasthenikern „überhaupt noch kein Thema war, wie sie selbst zugeben“. Seebök: „Erst heute hat mich ein verzweifelter Vater angerufen. Der Lehrer weigert sich, die Rechtschreibschwäche bei der Beurteilung des Kindes zu berücksichtigen.“ Um den Leidensweg von Schulkindern zu reduzieren, hilft ein Früherkennungsverfahren. Je früher mit dem Training begonnen wird, desto größer ist die Chance, das Problem zu reduzieren. Sollte ein Kind im Alter zwischen 4,5 und fünf Jahren häufig nach Worten suchen, an Schwierigkeiten beim Nachsprechen, der Silbenzerlegung oder der Zuordnung von Formen wie Kreis oder Rechteck leiden bzw. in der Familie bereits Legastheniefälle aufgetreten sein, wäre ein Test im Kindergarten oder einem auf Lernschwierigkeiten spezialisierten Institut anzuraten.


Der Standard - WISSENSCHAFT/FORSCHUNG SPEZIAL

Mittwoch 27. Juni 2009

(http://epaper.derstandarddigital.at/standard/forms/page.htm 01.07.2009)

Andreas Fink untersucht die Arbeitsweise des Gehirns.

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Foto: Initiative Gehirnforschung Steiermark

GEISTESBLITZ

Trainingseinheiten fürs Gehirn

Andreas Fink erforscht die neurowissenschaftliche Basis der Kreativität

Astrid Kuffner

Zündende Ideen kommen nicht gern unter Zeitdruck. Viel eher scheint der kreativen Inspiration eine "entspannte, kritikfreie Atmosphäre, die frei von Angst und Bewertungen ist, zuträglich zu sein", fasst Psychologe Andreas Fink zusammen. Fundierte und systematische Untersuchungen zu den Einflüssen auf kreative Denkprozesse gibt es kaum. Mit seiner Habilitation legte der 33-Jährige, der noch bis Ende September eine Vertretungsprofessur für Persönlichkeitspsychologie an der Universität Potsdam innehat, eine Reihe neurowissenschaftlicher Studien zum Thema vor. Das Werk wurde heuer mit dem Preis für innovative Arbeiten des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen und Psychologen ausgezeichnet. Um der Arbeitsweise des Gehirns auf die Spur zu kommen, stellte Andreas Fink seinen Testpersonen Denk- und Problemlösungsaufgaben: Woher kommt ein Leuchten in der Dunkelheit? Was erwartet dich am Ende einer Kletterpflanze, die bis in den Himmel reicht? Während sich die Probanden möglichst originelle Vorschläge einfallen ließen, zeichneten Fink und sein Team ihre Hirnströme auf.

Die Ergebnisse zeigen, dass "Kreativität kein mystisches Phänomen darstellt, sondern mit gewöhnlichen Denkprozessen einhergeht", erklärt der Forscher, der gerne Zehn-Kilometer-Läufe absolviert oder in die Berge geht, um selbst den Kopf freizubekommen. Und: Kreatives Denken kann durch einfache Denkübungen wirksam trainiert werden. Das führt nicht nur zu einer Verbesserung der kreativen Denkleistung, sondern geht auch mit Veränderungen in Gehirnfunktionen einher. Das Gehirn bleibt also das ganze Leben plastisch, trainierbar und lernfähig. Eine besonders wichtige Aufgabe sieht Andreas Fink darin, schon bei den Jüngsten - Hochbegabten ebenso wie Benachteiligten - kreative Fähigkeiten bestmöglich zu fördern. Nach der Matura wollte der Grazer eigentlich die Sozialakademie besuchen. Weil es damals aber nur wenige Plätze gab, begann er mit Psychologie. Zum Umstieg kam es nie, denn er schloss das Studium in Mindestzeit ab. Als Zivildiener bei "Jugend am Werk" begleitete und betreute er Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. Die dort gesammelten Erfahrungen motivieren ihn bis heute, "als wissenschaftlich tätiger Psychologe in praxisnahen Feldern aktiv zu sein".

2004 begann seine intensive Zusammenarbeit mit dem Grazer Lese- und Rechtschreibinstitut sowie dem bundesweiten "Verein zur Förderung legasthener und unter erschwerten Bedingungen lernender Menschen", dessen stellvertretender Obmann er ist. In Projekten mit verschiedenen Institutionen geht es stets um die Entwicklung und empirische Überprüfung von Tests und Trainingsprogrammen sowie die Identifikation von Bedingungen, die förderlichen oder hemmenden Einfluss auf die Kreativität von Kindern ausüben können.

der Standard Webtipp:

www.phdl.at/institute/forschungentwicklung/forschungsprojekte/kreativitaetstraining.html


Die Presse

INITIATIVE

Rat und Hilfe für legasthene Kinder und deren Eltern

Das Wiener Lese-Rechtschreib-Institut und die Initiative Legasthenie beraten.

WIEN (hes). Weil Kinder, die von einer Lese- und Rechtschreibschwäche betroffen sind, vor Schuleintritt nicht auffallen, eben weil sie aufgeweckt und intelligent sind und zunächst niemand bemerkt, dass Lesetexte auswendig aufgesagt werden und nicht tatsächlich erlesen werden, werden Probleme in diesem Bereich eher spät bemerkt. Das Lese-Rechtschreib-Institut in Wien (Staudgasse 72, 1180 Wien) bietet Eltern von Kindern, die von einer Legasthenie betroffen sind, jetzt kostenlose Telefonberatung an. (Graz: 0316/69 2802, in Wien: 4090670)

Oft fallen Kinder dadurch auf, dass man besonders viel mit ihnen üben müsse, ohne dass die Anstrengungen dabei gleich den gewünschten Erfolg zeigen. Auch in Mathematik und anderen Fächern treten Probleme auf, Kinder wie Eltern leiden unter der Situation. Am Institut sollen neue Lernformen vermittelt werden, Eltern unterstützt und beraten werden. Für die Kinder soll vor allem Spiel und Spaß rund ums Lesen und Schreibenlernen im Vordergrund stehen.


Heilpädagogische Forschung

ZEITSCHRIFT FÜR PÄDAGOGIK UND PSYCHOLOGIE BEI BEHINDERUNGEN

Effektivitätsüberprüfung eines morphemorientierten Grundwortschatz-Segmentierungstrainings (MORPHEUS) bei Kindern und Jugendlichen

aus: Heilpädagogische Forschung Nr. 3 2008

von Reinhard Kargl, Christian Purgstaller, Silvana Weiss und Andreas Fink

Trotz der großen Anzahl an Rechtschreibtrainings wurden die wenigsten davon wissenschaftlich evaluiert. Die meisten Programme sind auf phonologische Aspekte ausgerichtet, die eher am Beginn des Schriftspracherwerbs eine Rolle spielen. Deshalb existieren kaum valuierte Übungsmaterialien, für die Förderung ab der 4. Schulstufe und höher. Mit MORPHEUS wurde ein computerunterstütztes Grundwortschatztraining auf morphematischer Basis entwickelt und in zwei Studien mit einem Prätest-Training-Posttest-Design evaluiert. Die morphematische Bewusstheit wurde durch ein eigens dafür konstruiertes Testverfahren überprüft, die Rechtschreibleistungen mit der Hamburger Schreibprobe erhoben. In Studie 1 konnte die Trainingsgruppe nach nur zweieinhalb Wochen Training die Rechtschreibleistung signifikant verbessern. Die stärksten Zuwachsraten waren in der morphematischen Strategie zu verzeichnen. Auch in Studie 2 konnten statistisch signifikante Trainingseffekte in der Rechtschreibung sowie in der morphematischen Bewusstheit beobachtet werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass morphematische Trainingsprogramme sehr effektiv die Rechtschreibleistung verbessern.

Schlüsselwörter: Rechtschreibtraining, computerunterstütztes Training, morphematische Rechtschreibstrategie, morphematische Bewusstheit, Morphem, Schriftspracherwerb


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